RadiCal - ein radikal neuer Ansatz zur Berechnung von solaren Einträgen bei Gebäuden

Projektziel war die Entwicklung eines physikalisch korrekten, und gleichzeitig effizienten Verfahrens zur Berechnung des Energieeintrags durch verschattet und nicht verschattete transparente Flächen bei Gebäuden.

Als Folge der modernen Bauweise, welche sich durch hohe Dämmstandards einerseits und durch einen hohen Verglasungsanteil andererseits auszeichnet, ist die Bedeutung von solaren Gewinnen durch transparente Flächen in der Fassade in den letzten Jahrzehnten deutlich gestiegen.

Die solaren Einträge stellen - je nach Nutzungsart - häufig sogar die maßgebliche Komponente in der Gebäudeenergiebilanz dar. Im Gegensatz zu den in letzter Zeit stark verfeinerten Methoden zur Beschreibung der Energieströme über Transmission und Luftwechsel, sind die Berechnungsmodelle für den solaren Eintrag immer noch sehr ungenau. Eine genaue Kenntnis ist für die energieeffiziente Planung und Steuerung von Gebäuden jedoch unerlässlich.

Durch eine bautechnische und gebäudetechnische Optimierung von solaren Einträgen lässt sich - insbesondere in mittleren Breiten - gleichzeitig sowohl der Heizwärmebedarf als auch der Kühlenergiebedarf senken. Zudem lassen sich durch intelligent geplanten und gesteuerten Sonnenschutz auch die angesichts des Klimawandels vermehrt auftretenden Überhitzungssituationen in Gebäuden verhindern oder reduzieren.

Die bisher eher kruden Berechnungsansätze für die solaren Einträge, welche auch in modernen Gebäude­simulations­programmen zur Anwendung gelangen, begründen sich in der Komplexität der bestimmenden physikalischen (optischen) Prozesse und Randbedingungen.

Jeder Versuch, die aktuell angewendeten, erheblich vereinfachenden Annahmen zu verfeinern, führt unmittelbar in das sprichwörtliche Rabbit-Hole. Im Rahmen der Dissertation „RadiCal" hat sich der Dissertant Daniel Rüdisser genau dieser Herausforderung gestellt - quasi in den Kaninchenbau vorgewagt - und versucht eine physikalisch möglichst exakte und detaillierte Methode zu entwickeln, welche gleichzeitig jedoch eine einfache und praktische Anwendung erlauben soll.

Modellierung mittels physikalisch basiertem Monte-Carlo Raytracing

Zentraler Bestandteil des Verfahrens ist eine digitale, optische „Vermessung" des zu beschreibenden Objekts auf Basis eines Monte-Carlo-Raytracing-Verfahrens. Ähnlich wie bei - aus der Computergrafik bekannten - hochwertigen „Renderings" wird hierbei der Strahlengang des Lichts auf physikalisch möglichst korrekte Weise nachgebildet. Ausgangspunkt hierfür ist ein exaktes, dreidimensionales CAD-Modell (computer aided design) des Prüflings, zum Beispiel ein beschattetes Fenster.

Den im Modell enthaltenen Oberflächen werden unterschiedliche Materialen zugeordnet. Im Vergleich zu anderen Verfahren werden die optischen Eigenschaften der Materialen auf eine sehr detaillierte Weise abgebildet. Dies gestattet eine sehr akkurate Modellierung der physikalischen Prozesse, da das gesamte solare Spektrum vom Ultravioletten, über das sichtbare Licht bis hin zum Infraroten berücksichtigt wird.

Auf diese Weise werden wellenlängenabhängige Effekte der Transmission, Reflexion, Absorption und Brechung des Lichtes implizit exakt abgebildet. Auf Grund des gewählten Beschreibungsmodells werden hierbei – und dies ist wohl weltweit einzigartig - auch Polarisationseffekte des Lichts mitberücksichtigt. Polarisationseffekte spielen immer dann eine wichtige - und bisher kaum berücksichtigte - Rolle, wenn mehrere Reflexionen oder Transmissionen in Folge auftreten, wenn also z. B. ein Sonnenstrahl zuerst auf der Jalousielamelle reflektiert wird und dann auf die Fensterscheibe trifft.

Das entwickelte Raytracing-Verfahren ist außerordentlich rechenintensiv, da hierbei Milliarden von Lichtstrahlen mit unterschiedlichen Wellenlängen und Richtungen „verfolgt" werden müssen. Das Scannen eines Objekts dauert folglich mehrere Stunden.

Sind diese Berechnungen jedoch abgeschlossen, so kann die gesammelte Information in sehr verdichteter Form und auf einfache Weise an andere Berechnungsprogramme weitergegeben werden. Dadurch ist es anderen Anwendungen, wie z. B. Gebäudesimulationsplattformen, möglich, solare Einträge mit einer bisher nicht realisierbaren Genauigkeit abzubilden.

Dies gestattet es, Heiz- und Kühlleistungen, und damit den Energiebedarf, viel genauer als bisher möglich zu berechnen. Um diese einfache und effiziente Weitergabe der optischen Eigenschaften zu ermöglichen, wurde ein Codierungsalgorithmus entwickelt, der auf den - in der Quantenmechanik sehr gebräuchlichen - Kugelflächenfunktionen beruht.

Ähnlich wie beim MP3-Verfahren (Verfahren zur Komprimierung von digitalen Audiodaten) werden hierbei die umfangreichen und zeitaufwendig ermittelten „Messdaten" mit Hilfe von geeigneten Funktionen komprimiert und können schließlich als einfache Zahlenfolge von nur circa einhundert Werten dargestellt werden.

Auf Basis dieser komprimierten Daten, für die der Begriff SIOP (solar incidence operator) eingeführt wurde, können schließlich sehr einfach und binnen Millisekunden die solaren Einträge durch das analysierte Zielobjekt für beliebige Klimadaten, Orientierungen oder Zeiträume errechnet werden.

Somit kann die Genauigkeit der Raytracing-Berechnung in die Gebäudesimulation übertragen werden, ohne dass die hierfür notwendigen aufwändigen Berechnungen durchgeführt werden müssen. Die aufwändigen, mehrstündigen Berechnungen zur Generierung der SIOPs müssen also nur einmal durchgeführt werden. Die für unterschiedliche Verglasungen und Beschattungssitutationen berechneten SIOPs können dann, z.B. in Form einer online-Datenbank zur Verfügung gestellt werden.

Das Projekt "RadiCal" wurde bei AEE - Institut für Nachhaltige Technologien durchgeführt.