Plusenergieverbund Reininghaus Süd
Ausgangssituation
Das Projekt "ERS - Plusenergieverbund Reininghaus Süd" ist integrativer Bestandteil des Haus der Zukunft Plus Leitprojektes "Energy City Graz-Reininghaus (ECR)" und folgt den Vorgaben des übergeordneten städtebaulichen Rahmenplanes.
Die Liegenschaft für den Plusenergieverbund Reininghaus Süd ist in der Peter-Rosegger-Straße zwischen Gollweg und Grazerfeldstraße am südlichen Knotenpunkt des neuen Stadtentwicklungsgebietes ECR gelegen.
Die "WEGRAZ Gesellschaft für Stadterneuerung und Assanierung mbH" als Eigentümerin der Liegenschaft führte in Kooperation mit der Stadtbaudirektion Graz ein städtebauliches Gutachterverfahren nach Grazer Modell aus. Ziel dieses Wettbewerbes war, Entwürfe für einen neuen innovativen, multifunktionalen Stadtteil zu erhalten.
Als Siegerprojekt des Gutachterverfahrens ging das Büro Nussmüller Architekten hervor. Der städtebauliche Entwurf des Siegerprojektes gliedert sich in zwei Bauteile.
- Bauteil 1 besteht aus einem an der Peter-Rosegger-Straße vorgelagerten Büro- und Geschäftskomplex mit Wohnnutzung in den Obergeschossen.
- Bauteil 2 liegt abgeschirmt durch den vorgelagerten Büro- und Geschäftskomplex im südlichen Teil der Liegenschaft und besteht aus 12 kompakten Punkthäusern mit 162 Wohneinheiten. Der Bauteil 2 wurde vom Bauträger "Aktiv Klimahaus Süd GmbH" errichtet und sollte im Rahmen des Forschungsprojektes durch eine Kombination aus Energieeffizienzmaßnahmen, Eigenversorgung und Energielieferung zur Plusenergiesiedlung werden.
Der Plusenergieansatz für die Wohnsiedlung basiert auf Synergien innerhalb eines multifunktionalen Gebäudeverbandes. In einem ersten Schritt wird das einzelne Gebäude optimiert und wandelt sich vom Energieverbraucher zum Energieerzeuger, im zweiten Schritt bringen Synergien innerhalb des Gebäudeverbundes eine weitere Optimierung des Systems.
Mit der Realisierung des Plusenergieverbundes Reininghaus Süd wurde ein Demonstrationsbauvorhaben geschaffen, das eine wirtschaftlich umsetzbare, technisch und organisatorisch innovative Lösung für Plusenergieverbundkonzepte der Zukunft schafft.
Inhalte und Zielsetzungen
Vorrangiges Ziel war es eine Siedlung (Wohnanlage) zu realisieren, die durch ein innovatives Maßnahmenbündel eine positive Energiebilanz aufweist.
Konkrete Inhalte und Projektziele waren:
- Optimierung des Plusenergieverbundes innerhalb der zwölf Wohngebäude ("Punkthäuser") des Bauabschnittes BA 02.
- Optimierung des Plusenergieverbundes und Nutzung der Synergien zwischen den Wohngebäuden ("Punkthäuser") des Bauabschnittes BA 02 und dem vorgelagerten Büro- und Geschäftsgebäude des Bauabschnittes BA 01.
- Sicherstellung der innovativen Konzeption und der Qualität des Demonstrationsbau-vorhabens und Erreichen der Haus der Zukunft Plus Programmziele.
- Nachweisführung der erreichten Ziele und Ausführungsqualität nach TQ-B (ÖGNB).
- Monitoring und Evaluierung der Gebäudeperformance.
- Verwertbarkeit der Ergebnisse für Folgeprojekte.
- Optimale Integration in das Haus der Zukunft Plus Leitprojekt „Energy City Reininghaus (ECR)“.
- Aufbereiten der Ergebnisse für Folgeprojekte und Sichtbarmachen der Erfolge national und international.
- Verwertbarkeit der Ergebnisse für Folgeprojekte.
Methodische Vorgehensweise
Das Forschungsprojekt gliedert sich in 7 Arbeitspakete:
AP 1 - Wissenschaftliche Projektbegleitung, Koordination und Dokumentation
AP 2 - Optimierung Plusenergiekonzept
AP 3 - Qualitätssicherung, TQ-B Nachweisführung
AP 4 – Generalplanung
AP 5 – Umsetzung
AP 6 – Monitoring
AP 7 - Verbreitung und Schnittstelle „ECR“
Ergebnisse und Schlussfolgerungen
Das Projekt ERS konnte nachweisen, dass Energieverbünde im Gebäudebereich einen wichtigen Beitrag zur Erlangung energie- und klimapolitischer Ziele leisten können.
Durch die Erweiterung der energetischen Systemgrenzen vom Einzelgebäude zum multifunktionalen Gebäudeverband eröffnen sich neue Möglichkeiten der Energieeffizienzsteigerung für den Gebäudesektor. Auf Grund unterschiedlicher Nutzungs- und Lastprofile von multifunktionalen Gebäudeverbänden ergeben sich zahlreiche energetische Synergieeffekte, die hohe Energieeinsparpotentiale, bei geringen Investitionskosten, generien können.
Mit der Realisierung des Plusenergieverbundes Reininghaus Süd konnte gezeigt werden, dass eine wirtschaftlich umsetzbare, technisch und organisatorisch innovative Lösung für Plusenergieverbundkonzepte der Zukunft möglich ist.
Die erfolgreiche Umsetzung von Plusenergiekonzepten im Gebäudebereich kann nur durch folgendes Maßnahmenbündel erfolgen:
- Reduktion des Heiz– und Kühlenergiebedarfes
- Reduktion des Strombedarfs für haustechnische Anlagen und Haushalte
- Energieeffiziente Haustechnik
- Energieproduktion am Grundstück
- Energetischer Verbund von Gebäuden mit unterschiedlichen Nutzungs- und Lastprofilen (im vorliegenden Fall Büro- und Wohngebäude).
Die im Projekt zum Einsatz gekommenen Technologien
- Geothermie
- Solarthermie
- PV
- Kontrollierte Be- und Entlüftung mit Wärmerückgewinnung
stellen etablierte Systeme dar, deren Implementierung geringe Probleme verursachten.
Als große Herausforderung stellte sich jedoch die Planung (Simulation) des energetischen Verbundes aller Komponenten dar, da es derzeit am Markt keine praktikablen Tools und es auch wenige Erfahrungen bei der Simulation von Energieverbünden gibt.
Des Weiteren haben die ersten Monitoringergebnisse und die Begleitung in der Betriebsphase gezeigt, dass für einen optimierten Betrieb des Energieverbundes ein kompetentes Facility Management erforderlich ist.
Die Komplexität des Energieverbundes erfordert spezielle Kenntnisse für Betrieb, Steuerung und Monitoring aller Komponenten.
Im Projekt ERS hat sich gezeigt, dass Bauträger und Hausverwaltungen im Rahmen ihres Kerngeschäftes Energieverbünde nur sehr schwer umsetzen und betreiben können. Es ist daher der Zukauf von Fachwissen oder die Auslagerung des Betriebes des Energieverbundes wird an externe Firmen erforderlich, wobei Contractingmodelle hier sehr vorteilhaft sein könnten.
Neben den technischen Herausforderungen für die Konzeption und den Betrieb eines energetischen Gebäudeverbundes zeigen die Erkenntnisse aus ERS, dass auf organisatorischer und rechtlicher Ebene noch viele offene Fragen vorliegen und die Ausarbeitung von innovativen Geschäftsmodellen und rechtlichen Rahmenbedingungen wertvolle Hilfestellungen für Bauträger, Planer und Stadtverwaltungen leisten könnte.
Ausblick
Bis jetzt wurde die Optimierung von Energiekonzepten vorrangig innerhalb der Systemgrenze des einzelnen Gebäudes vorangetrieben.
Auf der Bedarfsseite ist mit dem Passivhausstandard eine technische und ökonomische Grenze erreicht, eine Verbesserung dieses Standards (z. B. durch erhöhte Wärmedämmmaßnahmen) weist nur mehr sehr geringes energetisches Einsparpotential auf.
Des Weiteren zeigt sich im städtischen Kontext, dass eine Abdeckung des Energiebedarfs von Einzelgebäuden durch vor Ort verfügbare Energieträger (wie z. B. Erdwärme, Solarenergie) aus technischen, rechtlichen und ökonomischen Gründen meist nur sehr schwer realisierbar ist.
Erweitert man aber die Systemgrenze vom Einzelobjekt auf den Siedlungsverband eröffnen sich neue Möglichkeiten der Energieeffizienzsteigerung für den Gebäudesektor. So bringen multifunktionale Gebäudeverbände (aus Gebäuden mit unterschiedlichen Nutzungen) auf Grund ihrer unterschiedlichen Nutzungs- und Lastprofile zahlreiche Synergieeffekte mit sich. Der Focus zukünftiger Energiekonzepte für den städtischen Raum muss daher auf der intelligenten Vernetzung von Gebäuden, Gebäudeverbänden oder Stadteilen liegen.
Mit der Errichtung des Plusenergieverbundes Reininghaus Süd wurde versucht ein Demonstrationsbauvorhaben zu schaffen, das eine wirtschaftlich umsetzbare, technisch und organisatorisch innovative Lösung für einen Energieverbund zwischen Bauteilen unterschiedlicher Nutzung ermöglicht.
Die im Projekt gewonnen Erkenntnisse auf technischer, organisatorischer und administrativer Ebene liefern wertvolle Erkenntnisse für die Konzeption zukünftiger Energieverbünde im Gebäudebereich.